OLG Stuttgart Beschl. vom 24.10.2007 Az.4 Ss264/07
Bei der Lichtschrankenmessung mit einem Gerät der Marke ESO Typ ES 1.0 mittels passiver
Messung ohne Lichtsender handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der
Rechtssprechung des BGH (St 39, 291; 43, 277).
Tenor
Die Rechtsbeschwerde
des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 20. Februar 2007 wird als unbegründet
v e r w o r f e n .
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines
Rechtsmittels.
Gründe
I.
Das Amtsgericht setzte gegen den
Betroffenen -wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 41 Abs. 2 StVO - Überschreiten
der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 41 km/h - eine Geldbuße von
100 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat fest. Nach den Feststellungen fuhr X. am 28. Juni 2006
auf der Bundesautobahn A 6 mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen ..., von M. in Richtung N. Um 10:26
Uhr überschritt er bei Kilometer 668,1 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120
km/h um 41 km/h. In Höhe von Kilometer 666,0 und 666,7 befinden jeweils beidseitig der Fahrbahn
Verkehrszeichen Nr. 274 (§ 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO; 120 km/h), weshalb der Betroffene um die
Geschwindigkeitsbeschränkung hätte wissen können und müssen. Mit einem geeichten
Geschwindigkeitsmessgerät der Marke ESO Typ ES 1.0 wurde eine Geschwindigkeit von 167 km/h
gemessen, wovon 3 % als Messfehlertoleranz abgezogen wurden.
Im Rahmen der Beweiswürdigung
führt das Amtsgericht aus, der Betroffene habe über seinen Verteidiger eingeräumt,
gefahren zu sein. Darüber hinaus habe er -generelle Zweifel an der Richtigkeit der
Geschwindigkeitsmessung vorgetragen, -die jedoch allesamt mit Hilfe des vernommenen Zeugen ausgeräumt
werden konnten . Die Feststellungen zur Sache beruhten neben den Angaben des Betroffenen auf der
Aussage des vernommenen Zeugen, den verlesenen Urkunden und denen in Augenschein genommenen
Lichtbildern, auf welche wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO
verwiesen werde.
Der Betroffene hat gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt, die er
mit der Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts begründet. Insbesondere rügt er,
dass die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil unvollständig sei, da sich aus ihr nicht
ergebe, aufgrund welcher Beweismittel das Amtsgericht welche Tatsache festgestellt habe. Ferner habe
das Gericht nicht ausgeführt, weshalb anstelle des Fahrverbots nicht eine Erhöhung der
Geldbuße ausreichend sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, dass Rechtsmittel gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG als unbegründet zu
verwerfen. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen würden den Schuldspruch und den
Rechtsfolgenausspruch tragen.II.
Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Beweiswürdigung
sind gerade noch ausreichend.
Im Urteil wurde gemäß § 71 Abs. 1 OWiG i. V. m.
§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die bei den Akten befindlichen Lichtbilder Bezug genommen. In den
hierin eingeblendeten Daten, die zulässigerweise im Wege des Augenscheins in die
Hauptverhandlung eingeführt worden sind (vgl. BayObLG NStZ 2002, 388), ist auch die gemessene
Geschwindigkeit enthalten. Ferner kann dem Zusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden,
dass das Amtsgericht den Polizeibeamten Y. als Zeugen gehört hat, welcher die
Geschwindigkeitsmessung durchgeführt hat. Dies ergibt sich aus der Feststellung (UA S. 4 oben),
generelle Zweifel des Betroffenen an der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung seien mit Hilfe des
vernommenen Zeugen ausgeräumt worden. Bei diesem kann es sich nur um den Beamten handeln, der
die Messung durchgeführt hat. Deshalb liegt es nahe, dass dieser Zeuge zu den örtlichen
Gegebenheiten (insbesondere zu den aufgestellten Verkehrszeichen) Angaben gemacht hat.III.
Zur
Geschwindigkeit enthält das Urteil Feststellungen lediglich zum angewendeten Messgerät,
der gemessenen Geschwindigkeit sowie zu der in Ansatz gebrachten Messtoleranz. Sie sind nur dann
ausreichend, wenn es sich bei den vorliegend angewendeten Messverfahren um ein standardisiertes
Messverfahren im Sinne der Rechtssprechung des BGH (St 39, 291; 43, 277) handelt. Diese Frage ist -
soweit ersichtlich - obergerichtlich bislang noch nicht entschieden worden. Zwar handelt es sich bei
der Messung der Geschwindigkeit mit dem Gerät ESO ES 1.0 auch um eine Lichtschrankenmessung.
Letztere ist seit langem von der Rechtsprechung als standardisiertes Messverfahren anerkannt (BGHSt
39, 291 (302)). Jedoch haben die Technik und die Messwertbildung des Einseitensensors ESO 1.0 mit
normalen Lichtschrankenmessgeräten nichts gemein (Löhle/Beck, Fehlerquellen bei
polizeilichen Messverfahren, 8. Aufl., S. 78; Löhle ZfS 2006, 137). Daher kann bei
Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung ein Messverfahren mit diesem Gerät nicht als
standardisiert angesehen werden.
Um diese Frage zu klären, hat der Einzelrichter hat mit
Beschluss vom 15. Juni 2006 die Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern
übertragen (§ 80 a Abs. 3 S. 1 OWiG; Fortbildung des Rechts). Mit Beschluss vom selben
Tage hat der Senat die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage beschlossen, ob
es sich bei dem genannten Messverfahren um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der
Rechtssprechung des BGH handelt. Mit der Erstattung des Gutachtens wurde Herr Dipl. Ing. D.
beauftragt. Das Gutachten liegt nunmehr vor.IV.
Nach Darlegung des Sachverständigen handelt
es sich bei dem im vorliegenden Fall verwendeten Geschwindigkeitsüberwachungsgerät um ein
Weg-Zeit-Messgerät, welches mit Lichtschranken als Messbasis arbeitet. Es besteht im
Wesentlichen aus einem Sensorkopf auf einem Stativ, einer Rechnereinheit, einem berührungsempfindlichen
Bildschirm sowie einer funkgesteuerten Fotoeinrichtung mit entsprechendem Zubehör. Den Kern der
Anlage bilden der Sensorkopf mit vier optischen Helligkeitssensoren. Drei dieser vier Sensoren
überwachen die Fahrbahn rechtwinklig zu deren Verlauf. Der vierte Sensor, dessen optische Achse
um ca. 2 Grad gegenüber der senkrechten schräggestellt ist, dient lediglich zur Messung
des Abstandes zwischen dem Sensor und dem angemessenen Fahrzeug. Bei der Durchfahrt eines Fahrzeuges
wird in jedem der vier Sensoren dessen Helligkeitsprofil erfasst, digitalisiert und gespeichert.
Dabei wird kein Lichtsender realisiert (was bedeutet, dass durch das Gerät kein Licht gebündelt
ausgestrahlt wird - anders als bei solchen Lichtschrankenmessungen, bei denen quer zur Fahrbahn
Lichtstrahlen gesendet werden, weshalb dort beidseits der Fahrbahn Geräte aufgestellt werden müssen).
Daher handelt es sich um ein -Messgerät in passiver Ausführung . Die Gesamtlänge der
Messbasis des Sensorkopfes beträgt 50 cm. Die Teilstrecken zwischen den Sensoren (1 und 2
einerseits und 2 und 3 andererseits) belaufen sich auf jeweils 25 cm. Diese drei Sensoren dienen zur
Ermittlung von zwei Geschwindigkeitsmesswerten. Fährt ein Fahrzeug an den Sensoren vorbei, wird
die Geschwindigkeit durch das sogenannte Triggersignale vorbestimmt. Die vom Gerät
aufgezeichneten Helligkeitsprofile werden rechnerisch mit Hilfe einer durch die Software bestimmten
Korrelationsrechnung abgeglichen, um sodann die genauen Zeitdifferenzen zwischen den einzelnen
Helligkeitsprofilen zu bestimmen. Die Geschwindigkeit ergibt sich aus den zwei ermittelten
Zeitdifferenzen und der anteiligen Messbasis von 25 cm. Der vierte Sensor dient lediglich zur
Ermittlung des Abstandes des Fahrzeuges vom Messgerät, um zu verhindern, dass Fahrzeuge
gemessen werden, die sich außerhalb des eingestellten Grenzwertes (zwischen dem Gerät und
dem zu messenden Fahrzeug; maximal 18 m) befinden (etwa auf der Gegenfahrbahn). Wird eine
Geschwindigkeit ermittelt, welche den eingestellten Geschwindigkeitswert überschreitet, wird
dieser Messwert nebst weiteren Daten per Datenfunk der Fotoeinrichtung übermittelt.
Das Gerät
wird mit Hilfe einer Neigungswasserwaage aufgestellt. Es kann sowohl eine Quer- als auch eine Längsneigung
der Straße auf den Sensorkopf übertragen. Dies ist insbesondere bei der Querneigung von
besonderer Bedeutung. Vor dem Betrieb laufen automatisch Testprogramme ab. Bei der Auswertung sind
insbesondere die Fälle problematisch, in denen sich zwei Fahrzeuge nebeneinander in gleicher
Fahrtrichtung am Sensorkopf vorbeibewegen. Ein Messvorgang ist nur dann verwertbar, wenn sich schließlich
einFahrzeug in Fahrtrichtung auf oder hinter der Messlinie befindet.
Das Überwachungsgerät
Typ ES 1.0 der Firma ESO ist von der physikalisch-technischen Bundesanstalt in Braunschweig
zugelassen. Es erfüllt deren Anforderungen an Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte. Es
ist im Bundesgebiet weit verbreitet. Der Sachverständige hat diverse Messvorgänge mit
diesem Gerät im Bezirk des Landgerichts Stuttgart begutachtet. Der Aufbau der Anlage einschließlich
der hierbei zu beachtenden Besonderheiten ist im Einzelnen in der Gebrauchsanweisung beschrieben.
Dies und die Bedienung der Anlage einschließlich der Auswertung sind nach kurzer Einweisung
problemlos durchzuführen. Der Messbetrieb erfolgt automatisch. Das Messpersonal muss - anders
als beim Laserhandmessgerät - nicht besonders geschult werden. Bei Beachtung der
Gebrauchsanweisung des Herstellers und der Zulassungsbedingungen der physikalisch-technischen
Bundesanstalt kann es problemlos bedient werden. Deshalb handelt es sich um ein standardisiertes
Messverfahren im Sinne der Rechtssprechung des BGH.
Der Senat schließt sich den
nachvollziehbaren und gut begründeten Ausführungen des Sachverständigen an. Mit ihm
ist er der Ansicht, dass das Gerät die Vorgaben der Rechtssprechung des BGH(St 39, 291; 43,
277) erfüllt. Die Gebrauchsanweisung des Herstellers und die Zulassung durch die
physikalisch-technische Bundesanstalt bieten Gewähr für seine zuverlässige Anwendung.
Es ist einfach zu handhaben und hat sich nach den Erfahrungen des Sachverständigen in der
Praxis bewährt.V.
Zur Abfassung der Urteilsgründe ist zu bemerken:
Unbeschadet des
Umstandes, dass es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt, muss sich der Tatrichter im
Einzelfall von der Beachtung der für dieses Verfahren geltenden Bestimmungen überzeugen.
Liegen - dies wird die Regel sein - keine Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vor, braucht im
schriftlichen Urteil nur das angewendete Verfahren (Lichtschrankenmessung in passiver Ausführung
ohne Lichtsender), die festgestellte Geschwindigkeit sowie der in Ansatz gebrachten Toleranzwert
(bis 100 km/h: 3 km/h; darüber 3 % des Messwertes; vgl. Löhle ZfS 2006, 137 (139))
mitgeteilt zu werden, es sei denn, es liegt ein uneingeschränktes und glaubhaftes Geständnis
des Betroffenen vor; dann bedarf es nicht der Angabe des Messverfahrens und des Toleranzwertes
(BGHSt 39, 291 (303)). Nur wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die maßgebenden
Bestimmungen nicht eingehalten wurden, sind im Urteil Ausführungen zur Messung notwendig (vgl.
OLG Dresden VRS 109, 196 (199) m.w.N). Allgemein geäußerten Zweifeln des Betroffenen,
etwa dahin gehend, das Gerät habe nicht funktioniert oder dem anwendenden Beamten seien bei der
Auswertung Fehler unterlaufen, braucht der Richter nicht nachzugehen. Unabhängig hiervon ist -
in der gebotenen Kürze - im Urteil stets mitzuteilen, in welcher Weise sich der Betroffene
eingelassen hat (OLG Karlsruhe NZV 2007, 256).VI.
Die Ausführungen des Amtsgerichts zur
Feststellung der Geschwindigkeit sind deshalb genügend.